Hausschlachtung: Ein bisschen Fett muss in jede Wurst

Mit seiner großen, kräftigen Hand greift sich Andreas Hahn eines der Fleischstücke, die auf dem Tisch vor ihm liegen. Das mehr als faustgroße, fast runde Stück nennt man „Mäuschen“ – mageres, nahezu fettfreies Fleisch vom Hinterbein des Schweins. Ein wertvolles Stück, aus dem ein edler Gourmetschmaus entstehen wird. Hahn wickelt das Stück in ein Netz und reibt es dann mit reichlich Pfeffer ein. An einem Fleischerhaken baumelt das „Mäuschen“ kurz danach an einem Metallgestell, an dem schon andere Fleischstücke hängen. „Das werden Schinken“, erläutert Hahn. „Die kommen nachher in den Rauch.“

Und während der Landwirt in seinem weiß gekachelten Schlachthaus steht und über die Feinheiten der Schinkenherstellung in Südtirol philosophiert – die Region in Norditalien ist Hahn als Urlaubsort ans Herz gewachsen – stehen nebenan zwei Männer an einem Fleischwolf. Sie sind gerade dabei, etwa einen Zentner Schweinefleisch in feines Mett zu verwandeln. Das wird nachher in Därme abgefüllt und kommt als Knackwurst ebenfalls später in die Räucherkammer.



Wurst und Braten muss man sich bei Hahn hart erarbeiten. Der Landwirt bietet auf seinem Hof im thüringischen Steigerthal bei Nordhausen Hausschlachtungen an. Früher, als die Leute aus dem Dorf noch im kleinen Stall auf dem Hof ein oder zwei Schweine fütterten, war das ein in jedem Herbst oder Winter wiederkehrendes Ritual. An einem frühen Morgen wird das mehrere Zentner schwere Tier aus dem Stall geholt, Bolzenschuss, ein Schnitt mit dem Messer, und wenig später hängt das Tier „aufgebrochen“ an einem Gestell, fertig zur Weiterverarbeitung.

Heute kauft man Wurst und Fleisch im Supermarkt, schön drapiert in der Theke oder in Plastik verpackt im Tiefkühlfach. Doch weil heute immer mehr Leute wissen wollen, woher das Fleisch auf ihrem Teller kommt, gibt es Hausschlachtungen bei Landwirten wie Andreas Hahn. Das Prinzip ist einfach: Man kauft bei ihm ein Schwein und lässt es auf seinem Hof fachmännisch schlachten. Hahn mästet Schweine in seinem eigenen Stall mit Getreide, das er selbst anbaut. Während in den großen Mastanlagen die Tiere in der Regel nicht älter als vier Monate werden, dürfen Hahns Schweine immerhin ein ganzes Jahr lang wachsen, fröhlich sein, Fleisch und Fett ansetzen.



Bei der Verarbeitung am Schlachttag müssen die neuen Besitzer der Tiere kräftig mit anpacken. Fleisch schneiden, beim Zubinden der Wurstdärme helfen, Kochwurst in Gläser abfüllen. Dabei lernt man Einiges über das Wurstmachen. Zum Beispiel, aus welchen Fleischteilen Leberwurst gemacht wird und welche Gewürze in die Rotwurst gehören. Dass das magere Fleisch in die Knackwurst kommt, während die Schwarte in die Kochwurst gemengt wird. Je fetter das Schwein, umso mehr Kochwurst wird gefertigt. Ein bisschen Fett muss aber in jede Wurst, schließlich ist es der wichtigste Geschmacksträger. Und die besten Stücke, etwa das Filet, sind natürlich viel zu wertvoll, als dass man sie zu Wurst verarbeitet.

Was unterscheidet Pökelsalz von normalem Salz, und warum wird der kleingeschnittene Knoblauch in Schnaps eingelegt? Das Würzen ist eine Kunst für sich. Salz, Pfeffer, Senfkörner, Piment, Ingwer, Majoran, Kümmel – jeder Schlachter hat seine eigene Rezeptur und jede Region ihren eigenen Geschmack. Im Südharz mag man es eher deftig, da darf also beispielsweise Kümmel nicht fehlen. „Jeder Kunde entscheidet aber selbst, wie seine Wurst schmecken soll“, betont Hahn. Ständiges Probieren gehört zu so einem Schlachttag also dazu. Den letzten Pfiff bekommt die Wurst dann durch das Räuchern. Das ergibt nocheinmal ein besonderes Aroma – ist aber auch Geschmackssache.



Beim Speck und auch beim Schinken gibt es ebenfalls eine Regel: Pro Zentimeter eine Woche im Salz. Das heißt, je dicker das Stück ist, umso länger muss es im Salz liegen. Dass der fette Speck dann nicht mehr schmeckt, ist ausgeschlossen. „Der zieht nur so viel Salz, wie er braucht. Da muss man keine Angst haben.“

Weil das Schlachten in der Regel schon in den frühen Morgenstunden beginnt,  freut man sich auf das Frühstück. Da steht dann ein ordentlicher Batzen frisches Gehacktes auf dem Tisch, das auf einem knusprigen Brötchen eine Köstlichkeit ist. Und wenn man bei der Herstellung dabei war, schmeckt es doppelt gut.



Während Knackwürste, die aus Mett (also Gehacktem) bestehen, nur in den Rauch kommen und dann an der frischen Luft weiter reifen, müssen die Kochwürste, also beispielsweise Leber- und Rotwurst, in den Kessel. Da köcheln sie dann fröhlich vor sich hin, und manchmal platzt so eine Wurst dann auch. Das ist durchaus erwünscht, denn so entsteht die kräftige Wurstsuppe – leicht fettig, mit Wurststücken drin und kräftig gewürzt. Die gibt es dann am Abend, wenn die Arbeit getan ist – mit Nudeln und Wellfleisch oder  Fleischbällchen. Der feine Abschluss eines arbeitsreichen Schlachttages.