Von Eisbrecherprodukten, Kaufhäusern & offenen Rechnungen

Ein Design-Studio, ein Design-Verkäufer & eine Wirtschaftsförderin arbeiten alle am gleichen Produkt – Produktgestaltung aus Halle

Kirsten Hoppert ist entspannt. Sie gießt sich ein bisschen Wasser ein und blickt dann in den Hof. Sie überlegt, wo sie mit ihrer Geschichte anfängt. „Im März mussten wir ausziehen“, sagt sie und schaut noch einmal aus dem Fenster. „Wir dachten, das trifft uns nicht. Oder zumindest nicht so sehr.“ Dann zuckt sie mit den Schultern, merkt, dass sich ihr Fazit ausgesprochen trübsinnig anhört und macht erst noch einmal eine Pause. Kirsten Hoppert ist Designerin und auf diesem Feld sehr erfolgreich. Zusammen mit Steffen Kroll galt ihr „Studio Vertijet“ als bespielhaft für die Verbindung von Schaffenskraft und Geschäft. Und dass das auch noch in Halle klappte, sorgte für noch mehr Aufmerksamkeit. Hoppert und Kroll hatten es geschafft, Gestaltungsvorlagen anzufertigen, für die sie nicht nur Anerkennung und Preise bekamen, sondern sie konnten auch Dingen das von ihnen ersonnene Aussehen verpassen und sahen es dann bei den Produzenten vielfach umgesetzt und verkauft. Und dann fing es an zu holpern: „Wir hatten ein Büro. Und Mitarbeiter. Sogar Praktikanten.“



Kreislauf kam ins Stocken

Hoppert und Kroll sind nicht etwa pleite. Nur ist dieser Kreislauf mit der Wirtschaftskrise ins Stocken geraten. „Wir wollten Eisbrecherprodukte schaffen, keinen Mainstream. Aber mit Eisbrecherprodukten macht man kein Geld.“ Diesen Ansatz haben meist nur kleine Unternehmen, Firmen, die durchaus zum Risiko bereit sind. „Aber weil dieses Risiko auch oft recht hoch ist, müssen sie es teilen.“ Dieses Wort „teilen“ bringt Holpert ein wenig mit Verzögerung raus. Wahrscheinlich hatte sie zuerst sagen wollen: „nicht bezahlen“. Damit ist das Thema „Geld“ dann aber für Kirsten Hoppert schon erledigt. Sie redet lieber über ihre Produkte, genauer: über ihre aktuellen Produkte. Sie spricht über ein Sofa. Es ist IHR Sofa und seine Entwicklung liegt schon ein wenig zurück. „Lava“ heißt dieses Sofa und sorgte auf Messen für Erstaunen. „Die Leute brauchen heute kein Sofa mehr, auf dem sie sich endlich einmal hinsetzen können, auf ein weiches Kissen womöglich, nachdem sie den ganzen Tag auf Arbeit geschuftet haben und stehen mussten. Nein. Die meisten verbringen ihren Arbeitsalltag in ausgesprochen entspannten Lagen. Also muss das moderne Sofa mehr sein.“

„Lava“ war mehr. „Entspannung auf drei verschiedenen Ebenen“ lautet die Beschreibung, „eine Mischung aus Skulptur und fließender Sitzlandschaft“. Allerdings fehlte „Lava“ dann auch schon wieder in der nächsten Produktreihe und bekam auch keinen rechten Nachfolger. An dieser Stelle ist Kirsten Hoppert dann auch schon bei der Zukunft. „Wir wollen jetzt nicht nur entwerfen.“ Nun will das Studio Vertijet entwickeln, Partner suchen, mit diesen Partner produzieren, weitere Partner suchen und mit diesem weiteren Partnern verkaufen. „Ich weiß, das hört sich naiv an. Vielleicht sind wir ja blauäugig.“



Ein Kaufhaus für das Design

„Naiv?“ – Janis Kapetsis runzelt ein bisschen die Stirn und geht dann gar nicht darauf ein. Kapetsis kennt Kirsten Hoppert auch von früher, vom Studium. Allerdings ist Kapetsis schon ein bisschen weiter: Er verkauft bereits. Und will das Verkaufen demnächst mitten in der Innenstadt tun. Er verkauft Design. Kapetsis hat einen genauen Plan, er hat Modelle, Zeichnungen, Fotos und Zusagen. Diese Zusagen betreffen ein Haus in Halle, das jeder in der Stadt kennt. Die meisten sagen: „Na klar, Intecta! War ich mit meinen Eltern schon drin. Damals.“

Doch das Projekt scheint naiv, aus einem seit 20 Jahren leer stehenden Küchenkaufhaus in einer Stadt mit gerade einmal mittlerer Kaufkraft ein Designkaufhaus zu machen, wo die meisten erst einmal fragen: „Ein was?“ „Wir versuchen, Qualität zu platzieren, mitten in der Innenstadt.“ Genau soll das so aussehen, dass das Haus saniert wird und auf drei Etagen verschiedene Bereiche einziehen sollen, die alle mehr oder weniger mit Design zu tun haben: Ganz unten ein Geschäft der Online-Plattform für Design „Living Tools“, dazu ein Fahrradladen und ein Restaurant. Medienbüros, Agenturen, Mediengestalter und Designer sollen dann in die oberen beiden Etagen und ins Dachgeschoss einziehen. „Das Haus versammelt die Leute, die sonst nicht zusammenkommen.“

Kapetsis ist selbst Designer, aber gerade jetzt, wo sein Haus noch im Entstehen ist, ist er auch Verkäufer: „Es soll das Thema Design ins Zentrum der Stadt rücken.“ Dann entwirft er einen Design- und Kunst-Plan mit seinen Fingern auf seinem Schreibtisch. „Grob, nur grob.“, sagt er und dann macht er einen Kreis, der die Moritzburg darstellt, ein bisschen entfernt dann die Burg Giebichenstein, dazwischen die Leopoldina – das „dritte Element“, wie er sagt – und dann ist er in der Großen Ulrichstraße im Design-Kaufhaus „Intecta“. „Die Menschen werden aufhören, sich alle drei Jahre neuen Möbelschrott zu kaufen. Sie werden sich Produkte anschaffen, die eine lange Zeit halten.“ Kapetsis hört sich jetzt an, als hätte er diesen Satz zusammen mit Kirsten Hoppert eingeübt. Aber natürlich hat er das nicht. Dieser Satz ist die Grundlage ihrer Existenzen, die auf dem gleichen Geschäftsfeld liegen: Produktgestaltung. Und Design ist teuer.



Barbara Weigert ist da ein wenig nüchterner. Sie arbeitet bei der Wirtschaftsförderung der Stadt und ist damit immer dabei und vor allem vertraut mit den Daten der Realwirtschaft. Damit aber die so genannte Kreativwirtschaft, die die Stadt ja auch will, ein Chance hat, soll sie gefördert werden und das macht sie. Weigert sitzt im Rathaus, ist ausgesprochen gut informiert über alle möglichen Aktivitäten in Sachen Design und ist gleichzeitig auch ein wenig ernüchtert. „Na, klar. Das ist ein schwieriges Geschäft.“

„Wünsch Dir was?“ ist eine Kampagne der Stadt. Und dabei geht es darum, dass das vorhandene Potential an so genannten Kreativ-Unternehmern oder möglichen Unternehmern in der Stadt gehalten werde. Weiterbildungsmöglichkeiten, günstige Büroräume und Kontakte zu Geschäftspartnern – dabei will die Wirtschaftsförderung helfen. Weigert lobt dabei das Design-Kaufhaus als große Initiative und sie lobt Kirsten Hoppert für die Arbeit ihres „Studio Vertijet“.



Und Kirsten Hoppert lobt ebenfalls das Designkaufhaus. Wenn man so etwas hat, dann fördert das die Aufmerksamkeit für das Schaffen auch in der eigenen Stadt. „Design-Kaufhaus, Co-Working Space, all das ist ja nicht neu.“ Eigentlich, so scheint es, sind sich alle einig und freuen sich übereinander. Aber so richtig klappt das alles dann noch nicht. Denn jeder kämpft für sich allein. Kirsten Hoppert versucht zum Abschluss so eine Art Grundsatz für ihre Arbeit zu formulieren: „Ignoranz, das ist der größte Feind für die Gestaltung,für das Design.“ Und das Gegenteil von Ignoranz ist Aufmerksamkeit, folgert sie weiter. Also ja, ein Design-Kaufhaus für Halle, das könnte wirklich was werden. Es ist so eine Art Schlusswort für sie. Und dann führt Kirsten Hopper in den Flur zur Ausgangstür. Sie zeigt kurz nach hinten zum Arbeitszimmer in ihrer Wohnung. Dort sitzt Steffen Kroll am Computer. Und ganz sicher entwirft er dort ein Eisbrecherprodukt aus Halle.

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Mehr Infos finden Sie hier:
http://www.lichtplusdesign.de/intecta-kaufhaus