Bio ist nicht gleich Bio

Ein Gespräch über ökologische Landwirtschaft, Ernährung und Gesellschaft mit Bio-Bauer und Vertreter des Bioland Ostverbandes Klaus Feick

Auf Halles Marktplatz bietet er Woche für Woche Bio-Produkte und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus eigenem Anbau an. Seine zwei Hektar Land in Greifenhagen bewirtschaftet er mit organischem Dünger, standortangepasster Sortenwahl und, vor allem, ohne chemische Hilfsmittel. „Das Ergebnis sind gesunde und natürliche Lebensmittel mit ausgeprägtem Geschmack, die reich an Vitalstoffen sind“, steht auf seiner Webseite. „Biotopia“ ist der Name der über diesen Standorten und Worten steht, Klaus Feick der Mann der dahinter steht. Sein Biotop(ia) vereint ganz viel miteinander: ein Feinkostladen in Halles Kleiner Ulrichstraße – geführt von seiner Frau Birgit Rufer –, die Anbauflächen in Greifenhagen, der Obst- und Gemüsestand, ein Lieferservice, Feriendomizil, und noch mehr. Klaus Feick, ein Idealist, der sich ein Gesamtkonzept erarbeitet hat und es lebt. Wir haben uns mit ihm, dem Bio-Bauern und Vertreter von Bioland, über ökologische Landwirtschaft, Ernährung und Gesellschaft unterhalten. Die frisch aufbereiteten und verbraucherfreundlich verpackten Ergebnisse des Gespräches lesen sie hier:


Scheinbar sind es gute Zeiten für ökologische Landwirtschaft. Europa zählt neben den USA zu den größten Absatzmärkten für Bio-Produkte weltweit. Ein scheinbares gesellschaftliches Umdenken ist zu spüren. Eine scheinbare Sensibilisierung für gesunde Ernährung sowie ökologisch hochwertige Produkte scheint von statten zu gehen. Aber nur scheinbar – denn trotz aller positiver Tendenzen, ist der deutsche Endverbraucher immer noch knauserig, was die Ausgaben für diese nachhaltige Ernährung angeht. Im europäischen Vergleich gibt man statistisch gesehen, in Deutschland – prozentual am Gesamteinkommen gemessen – das wenigste Geld für Lebensmittel aus. Oder anders formuliert: In Deutschland ist man am wenigsten bereit in hochwertige Lebensmittel zu investieren. Eine Seite der Medaille.



Die andere Seite im Bedingungsgefüge stellen die Supermärkte und Großkonzerne dar, die diese Einstellung der Mehrheitsgesellschaft bedienen. Als Resultat entstehen „billig-Bio-Produkte“, die – vornehmlich für das eigene Wohlempfinden und gute Gewissen – geldbeutelfreundlich den Weg in die Kühlschränke zahlreicher Supermarktkunden finden. Das dies für alle Beteiligten an diesem Tauschgeschäft den geringstmöglichen Aufwand verkörpert und sich ökologisch auf niedrigstem Niveau verhält, ist oft nicht klar.

Bio-Bauer Klaus Feick, sieht die Tatsache, dass Supermärkte Bio-Produkte für sich entdeckt haben, um damit noch mehr Geld zu verdienen, eher kritisch: „Betriebe, Handelsunternehmen und Lebensmittelhersteller, die auf diesen Zug aufspringen, stehen inhaltlich meist nicht voll und ganz dahinter. Die Gefahr dabei ist, dass sie sich am geringstmöglichen Level orientieren und dabei das verlassen, wofür Bio eigentlich steht.“ Der Urgedanke für Bioprodukte stammt eigentlich aus dem Kreis von Idealisten, die sich auf die Fahne geschrieben hatten nachhaltig, ohne chemische Hilfsmittel und damit nicht auf Kosten von Mensch, Tier und Natur Lebensmittel herzustellen beziehungsweise anzubauen.



Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, Lebensmittel zu erkennen, die mit dieser idealistischen Maxime produziert sind und sich nicht mit weniger zufrieden geben. Helfen sollen eigentlich bestimmte Siegel auf der Produktverpackung, aber viele Verbraucher stehen etwas verloren auf weiter Supermarkt-Flur, wenn es darum geht, die Bedeutung dieser Siegel und damit den ökologischen Wert der Lebensmittel zu erkennen. Dabei spielt der Preis definitiv auch eine Rolle. Von einem „Bio-Billig-Produkt“ geht eben nicht der gleiche Mehrwert aus, als dies bei vergleichbaren aber deutlich preisintensiveren Artikeln im Bio-Laden oder einem Bio-Stand auf dem Marktplatz der Fall ist.

Das grüne Siegel samt weißen Sternen, die ein Blatt formen, dürfte vielen bekannt sein. Es handelt sich dabei um das Siegel der EG-Ökoverordnung. Jenes Label versichert, dass es sich um ein Bioprodukt handelt, denn „Wo Bio drauf steht, muss auch Bio drin sein. Das ist gesetzlich verpflichtend“, versichert Feick. Doch wie bereits erwähnt, sichert dieser Aufdruck lediglich den gesetzlichen Mindeststandard. Und Mindeststandard kostet natürlich nicht die Welt, was der anfangs erwähnten Knauserigkeit vieler Konsumenten natürlich entgegenkommt.



Wem das nicht bio genug ist, der hat die Möglichkeit nach privatrechtlichen (freiwilligen) Siegeln Ausschau zu halten. Damit ist eine deutlich höhere Qualität, höhere Standards in der Herstellung und, eben auch, ein deutlich höherer Preis verbunden. „Leider ist es nicht mehr wie vor einigen Jahren, als Bio einfach Bio war. Mittlerweile gibt es große Unterschiede und um die zu berücksichtigen, muss sich der Kunde damit auseinandersetzen“, empfiehlt Klaus Feick den Endverbrauchern. Der große Unterschied zeigt sich erst, wenn man die Richtlinien der einzelnen Verordnungen und Siegel unter die Lupe nimmt. Nach der EU-Verordnung ist ein Produkt bereits dann bio, wenn 95% der Inhaltsstoffe aus Öko-Anbau stammen. In Stichproben ist eine Beimengung gentechnisch veränderten Materials von bis zu 0,9 % zulässig. Die privaten Richtlinien hingegen, gehen weit über die der EU hinaus. Ein Privat-Siegel vom Anbauverband Bioland beispielsweise gewährt 100%-ige Sicherheit, denn der gesamte Hof auf dem gewirtschaftet wird, arbeitet biologisch und auch die Futtermittel müssen bio sein. Europäische Mindeststandards hingegen, lassen konventionelle Futtermittel und teilweise konventionelle Hofführung zu. Außerdem wird weitgehend auf den Zusatz von Enzymen und Aromen verzichtet, was das grüne EU-Siegel nicht gewährleisten kann.

Bleibt festzuhalten: Bio ist nicht gleich Bio. Selbstverständlich sollte sein, dass man nicht kopflos konsumiert, sondern sich informiert und somit selektiert. Gute Ansprechpartner findet man bei den Erzeugern direkt, das heißt, beispielsweise am Marktstand von Klaus Feick oder man zieht die meist kompetenten Mitarbeiter in den zahlreichen Bio und Feinkostläden zu Rate. Klar ist aber auch, dass Bio seinen Preis haben kann. Besonders bei den gerade aufgezählten Bezugsquellen. Nicht immer und vor allem nicht jeder, kann sich stets und ständig hochwertige Lebensmittel leisten. Nichtsdestotrotz, vermag auch ein „Billig-Bio-Produkt“ aus dem Supermarkt seine Wirkung zu erzielen. Denn ein Produkt, dass Mindeststandards erfüllt, ist immer noch besser als eines das sie unterschreitet. Generell, können diese Supermarkterzeugnisse aber nicht als Heilsbringer betrachtet werden, weder für den Menschen der sie isst, noch für die Natur aus der sie gewonnen werden. Wer also mehr von Lebensmitteln erwartet, sollte sein Bewusstsein dafür sensibilisieren und sich informieren was da eigentlich in seinem Einkaufkorb landet. Und irgendwann sind es vielleicht wirklich gute Zeiten für ökologische Landwirtschaft. Denn das Umdenken beginnt bei uns, den Konsumenten.



Seit 25 Jahren aus der Region für die Region

Beinahe täglich kann man in Halle und der Umgebung den Lieferwagen von Biotopia sehen, denn an fünf Tagen die Woche beliefert dieser Kunden in unserer Gegend mit frischen Bio-Lebensmitteln vom eigenen Hof und aus der Region. Insgesamt bewirtschaften die Familien Feick/Rufer und Anthes über 300 ha Land in Greifenhagen mit organischem Dünger ihrer Milchviehherde, standortangepasster Sortenwahl und, vor allem, ohne chemische Hilfsmittel. „Biotopia“ heißt der Betrieb, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feierte. Da die Familien ihre Arbeit als Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität in der Region verstehen und es ihr Ziel ist, die Kulturlandschaft und die natürlichen Ressourcen zu erhalten, lebenswerte Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen sowie durch die intensive Zusammenarbeit mit weiteren Bio-Betrieben in der Nähe regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken, besuchte zum großen Jubiläumsfest unter anderem die Staatssekretärin des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt von Sachsen-Anhalt, Anne-Marie Keding den Hof.

In einer Diskussionsrunde stellte sie sich mit anderen Mitstreitern den kritischen Fragen der Festbesucher. „Unser Wunsch war und ist die Stärkung der Region durch den Aufbau von sogenannten Wertschöpfungsketten vor Ort“, erklärt Klaus Feick ein Grundanliegen der Betriebsleiter von Biotopia. „Leider mussten wir im Laufe der Jahre aber immer wieder feststellen, dass es an regionalen Verarbeitungsmöglichkeiten von Ökoprodukten mangelt. Dennoch haben wir schon einiges erreicht!“ Positive Beispiele sind die langfristig gewachsene Zusammenarbeit mit Bio-Catering Halle, einem Bioland-Caterer, der über 1000 Essen pro Tag an Kindertagesstätten und Schulen liefert und von Biotopia ganzjährig mit Kartoffeln und Rindfleisch beliefert wird.



Auch sehr erfolgreich läuft die Zusammenarbeit mit Naturkost Erfurt, dem regionalen Bio-Großhändler. Hier wurde zum Beispiel gemeinsam die Versorgung des Bio-Fachhandles in der Region mit eigenem Chicorée vom Hof umgesetzt. Seit einigen Jahren liefert Biotopia Bio-Kisten aus, wobei die Kunden bequem per Internetshop aus dem reichhaltigen Sortiment bestellen können. Seit September 2015 besteht zudem die Möglichkeit sich frische Milch des Hofes nach Hause liefern zu lassen. Ebenso einen Grund zu feiern hat der gleichnamige Biotopia-Laden in Halle. In diesem verkauft Birgit Rufer seit inzwischen zehn Jahren feine Kost in Bioqualität. So hat man bei ihr eine Auswahl aus über 100 Käsesorten und 80 Bioweinen.

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Mehr Informationen finden Sie hier:
www.bioland.de 
www.biotopia-greifenhagen.de